Wie Sie auf eine vermutete Überdosis reagieren, während Sie auf Hilfe warten

Wie Sie auf eine vermutete Überdosis reagieren, während Sie auf Hilfe warten
Gesundheit & Medizin Torben Wehrle 22 Nov 2025 0 Kommentare

Was tun, wenn jemand eine Überdosis hat?

Stellen Sie sich vor: Sie kommen zu einem Freund, und er liegt regungslos auf dem Boden. Seine Haut ist blass, seine Atmung flach und unregelmäßig. Sie wissen nicht, ob er nur schläft - oder ob er stirbt. In diesem Moment zählt jede Sekunde. Eine vermutete Überdosis ist kein Fall für Warten oder Hoffen. Sie müssen sofort handeln - und zwar richtig.

Die gute Nachricht: Wenn Sie in den ersten Minuten richtig reagieren, können Sie Leben retten. Studien zeigen, dass sofortige Erste Hilfe die Überlebenschance bei einer Überdosis um bis zu 50 % erhöht. Es geht nicht darum, ein Mediziner zu sein. Es geht darum, klare Schritte zu kennen und sie auszuführen, während Sie auf den Rettungsdienst warten.

Schritt 1: Prüfen Sie, ob die Person ansprechbar ist

Bevor Sie irgendetwas tun, prüfen Sie, ob die Person bewusst ist. Schütteln Sie sie nicht. Das verliert wertvolle Zeit. Rufen Sie laut ihren Namen. Schlagen Sie sanft auf die Schulter. Wenn sie nicht antwortet, ist sie nicht ansprechbar - das ist ein ernstes Zeichen.

Jetzt prüfen Sie, ob sie atmet. Legen Sie Ihr Ohr nahe an ihren Mund und Ihre Nase. Schauen Sie auf ihre Brust. Hören Sie für 10 Sekunden. Atmet sie normal? Oder ist die Atmung nur ein flaches, schnarchendes, keuchendes Geräusch? Das ist kein normaler Schlaf. Das ist Atemversagen. Bei einer Überdosis, besonders mit Opioiden wie Heroin, Fentanyl oder verschriebenen Schmerzmitteln, hört die Atmung oft auf - oder wird so schwach, dass sie nicht ausreicht, um Sauerstoff ins Gehirn zu bringen.

Schritt 2: Rufen Sie sofort den Notruf

Bevor Sie etwas anderes tun: Rufen Sie 112. Sagen Sie klar: „Ich habe einen bewusstlosen Menschen mit schwerer Atemnot. Ich vermute eine Überdosis.“ Geben Sie Ihre genaue Adresse an. Bleiben Sie am Telefon. Der Disponent kann Ihnen Anweisungen geben, während Sie handeln.

Viele Menschen zögern, weil sie denken: „Ich habe Naloxon, ich kann das allein schaffen.“ Das ist falsch. Selbst wenn Sie Naloxon haben, braucht die Person medizinische Versorgung. Naloxon wirkt nur für 30 bis 90 Minuten. Opioiden im Körper können noch Stunden wirken. Ohne medizinische Betreuung kann die Person nach der ersten Wirkung erneut in Atemnot geraten. Rettungsdienste reduzieren die Sterblichkeit um 35 % im Vergleich zu Warten auf eine spontane Besserung.

Schritt 3: Geben Sie Naloxon, wenn Sie es haben - und wenn es eine Opioid-Überdosis sein könnte

Naloxon ist ein Medikament, das Opioiden die Wirkung nimmt. Es ist kein Allheilmittel. Es hilft nur bei Überdosen mit Opioiden - nicht bei Alkohol, Benzodiazepinen oder Stimulanzien wie Kokain oder Methamphetamin.

Wenn Sie Naloxon zur Hand haben, geben Sie es sofort. Die meisten Kits sind als Nasenspray. Legen Sie die Person flach auf den Rücken. Neigen Sie den Kopf leicht nach hinten, um die Atemwege zu öffnen. Sprühen Sie die gesamte Dosis (meist 2-3 Sekunden lang) in eine Nasenöffnung. Sie brauchen nicht beide Nasenlöcher zu behandeln. Eine Dosis reicht. Wenn die Person nach 2-3 Minuten immer noch nicht atmet oder nicht ansprechbar ist, geben Sie eine zweite Dosis in die andere Nasenöffnung.

Wichtig: Naloxon wirkt nicht sofort. Es braucht 2-5 Minuten. Geben Sie es nicht, weil Sie „es vielleicht brauchen“. Geben Sie es, weil die Person keine normale Atmung hat und eine Opioid-Überdosis wahrscheinlich ist. Die meisten Überdosen heute sind durch Fentanyl verursacht - ein extrem starkes Opioid. Naloxon ist hier lebenswichtig.

Mädchen sprüht Naloxon-Nasenspray in die Nase einer bewusstlosen Person.

Schritt 4: Machen Sie Atemunterstützung - auch ohne Naloxon

Wenn die Person nicht atmet, oder nur unregelmäßig keucht, müssen Sie sie beatmen. Das ist der wichtigste Schritt, wenn Sie kein Naloxon haben - oder wenn es nicht wirkt.

Legen Sie die Person flach auf den Rücken. Heben Sie ihr Kinn an, während Sie mit einer Hand ihre Stirn nach hinten drücken. Das öffnet die Atemwege. Halten Sie die Nase zu. Machen Sie einen festen Mundschluss über ihren Mund. Geben Sie einen Atemzug von einer Sekunde Dauer. Schauen Sie, ob sich die Brust hebt. Nicht zu viel Luft - sonst bläht sich der Magen auf und das kann zu Erbrechen führen.

Atmen Sie alle 5 bis 6 Sekunden ein - das sind 10 bis 12 Atemzüge pro Minute. Jeder Atemzug muss sichtbar die Brust heben. Machen Sie das kontinuierlich. Keine Pausen. Keine Unterbrechungen. Selbst wenn Sie müde werden. Die Gehirnzellen sterben nach 4 bis 6 Minuten ohne Sauerstoff. Sie sind die einzige Sauerstoffquelle, die sie jetzt hat.

Schritt 5: Bringen Sie die Person in die stabile Seitenlage - wenn sie atmet

Wenn die Person wieder atmet, aber nicht ansprechbar ist, legen Sie sie in die stabile Seitenlage. Das verhindert, dass sie bei Erbrechen erstickt.

Legen Sie ihren Arm, der auf der Bodenseite liegt, senkrecht nach oben. Legen Sie den anderen Arm quer über die Brust. Beugen Sie das Bein auf der Bodenseite im Knie. Greifen Sie mit Ihrer Hand am Schulterblatt und am Knie der oberen Seite. Rollen Sie sie sanft, aber bestimmt auf die Seite, sodass das obere Bein im 90-Grad-Winkel bleibt und der Kopf leicht nach hinten geneigt ist. Das hält die Atemwege offen. Überprüfen Sie alle 2-3 Minuten, ob sie noch atmet.

Was Sie NICHT tun dürfen

Es gibt viele falsche Ratschläge, die Menschen im Notfall befolgen - und die Leben gefährden.

  • Nicht kalt duschen oder Eiswürfel auflegen. Das ist besonders gefährlich bei Stimulanzien wie MDMA oder Kokain. Es kann zu Herzrhythmusstörungen führen.
  • Nicht mit Wasser oder Kaffee aufwecken. Das hilft nicht. Es kann sogar zum Ersticken führen.
  • Nicht den Magen leeren. Das ist ein Mythos. Es verursacht mehr Schaden als Nutzen.
  • Nicht warten, bis sich die Person „von selbst“ erholt. 28 % der Überdosis-Todesfälle passieren, weil jemand dachte, die Person schlafe nur.

Was passiert nach der Erste Hilfe?

Sobald der Rettungsdienst eintrifft, übernehmen sie die Versorgung. Sie geben Sauerstoff, überwachen Herz und Lunge, und bringen die Person ins Krankenhaus. Selbst wenn die Person „wieder bei Bewusstsein“ ist, muss sie untersucht werden. Opioiden können nach Stunden wieder wirken. Naloxon wirkt nicht lange genug.

Im Krankenhaus wird sie möglicherweise beobachtet, Medikamente bekommen und auf psychologische Unterstützung hingewiesen. Eine Überdosis ist kein Einzelfall - sie ist ein Warnsignal. Viele Menschen, die überleben, brauchen Hilfe, um mit Sucht umzugehen.

Junge bringt bewusstlosen Menschen in die stabile Seitenlage, um Erstickung zu verhindern.

Warum ist Vorbereitung so wichtig?

Die meisten Menschen, die eine Überdosis retten, haben nie eine Ausbildung gemacht. Sie haben nur gelernt, was sie in der Not tun müssen. Das ist gut - aber es ist nicht genug.

Studien zeigen: Wer eine 45-minütige Online-Schulung absolviert hat, kann die Rettungsposition in 48 Sekunden richtig ausführen. Untrainierte brauchen durchschnittlich 3 Minuten und 22 Sekunden - das sind 2 Minuten, die jemand sterben könnte.

Es gibt kostenlose Kurse von der Johanniter, dem DRK oder der Atemschutzorganisation. Viele Apotheken geben Naloxon-Notfallkits ab - oft ohne Rezept. In Deutschland ist es seit 2023 möglich, Naloxon in der Apotheke zu kaufen. Fragen Sie danach. Haben Sie es zu Hause? In Ihrer Tasche? In Ihrem Auto?

Was ist mit Stimulanzien oder Alkohol?

Nicht alle Überdosen sind Opioid-Überdosen. Manchmal ist es Alkohol, manchmal Kokain oder MDMA.

Bei Alkoholüberdosis: Der Körper kann nicht mehr den Hustenreflex kontrollieren. Die Person kann sich erbrechen und ersticken. Die stabile Seitenlage ist hier lebenswichtig. Geben Sie keine Flüssigkeit. Zu viel Wasser kann die Elektrolyte durcheinanderbringen.

Bei Stimulanzien (Kokain, Meth, MDMA): Die Person hat oft hohes Fieber, zittert, ist unruhig oder hat Krämpfe. Kühlen Sie sie nicht mit Eis. Legen Sie sie in einen kühlen Raum. Entfernen Sie überschüssige Kleidung. Halten Sie sie ruhig. Rufen Sie sofort den Notruf. Bei MDMA kann es zu schweren Hirnschwellungen kommen - das braucht medizinische Behandlung.

Bei unsicherem Fall: Gehe immer davon aus, dass Opioiden im Spiel sein könnten. Naloxon ist harmlos, wenn es nicht nötig ist. Es schadet nicht. Es rettet Leben.

Was kommt nach der Rettung?

Wenn Sie jemanden gerettet haben: Sie haben etwas Großes getan. Aber das ist nicht das Ende. Viele Überlebende fühlen sich schuldig, schämen sich oder haben Angst. Sie brauchen Unterstützung - nicht Urteile.

Sprechen Sie mit der Person, wenn sie wieder bei Bewusstsein ist. Sagen Sie: „Ich war da. Ich habe nicht weggeschaut. Ich habe geholfen. Du bist nicht allein.“

Suchen Sie gemeinsam nach Hilfe: Beratungsstellen, Suchttherapien, Selbsthilfegruppen. In Deutschland gibt es die Telefonseelsorge (0800-111 0 111) oder die Suchthilfe Bremen (www.suchthilfe-bremen.de). Eine Überdosis ist kein Versagen. Sie ist ein medizinischer Notfall - und sie ist behandelbar.

Was können Sie jetzt tun?

  • Finden Sie heraus, wo Sie Naloxon in Ihrer Stadt bekommen - Apotheke, Gesundheitsamt, Suchtberatung.
  • Installieren Sie eine App wie „OD Help“ oder „Notfall-Rettung“ - sie führen Sie Schritt für Schritt durch die Erste Hilfe.
  • Teilen Sie dieses Wissen. Sagen Sie Freunden: „Ich habe Naloxon. Wenn du es brauchst, sag mir Bescheid.“
  • Üben Sie die stabile Seitenlage mit jemandem. Machen Sie es zur Gewohnheit.

Es gibt keine perfekte Vorbereitung. Aber es gibt eine, die funktioniert. Und sie beginnt mit einem einzigen Schritt: zu wissen, was zu tun ist - und es zu tun, wenn es zählt.