Medikationssicherheit im Notfall: Was Sie in Ihren Notfallkoffer packen müssen

Medikationssicherheit im Notfall: Was Sie in Ihren Notfallkoffer packen müssen
Gesundheit & Medizin Torben Wehrle 13 Nov 2025 0 Kommentare

Stellen Sie sich vor: Ein Sturm zieht auf, ein Feuer nähert sich, oder ein plötzlicher Stromausfall lässt Ihr Zuhause unbrauchbar werden. Sie müssen sofort gehen. Doch was ist mit Ihren Medikamenten? Wenn Sie nicht wissen, was Sie brauchen, oder wenn sie in der Küche auf dem Regal liegen, wird aus einem Notfall schnell eine medizinische Krise. Viele Menschen denken, sie hätten Zeit, bis es losgeht. Doch die Realität ist anders: Medikationssicherheit im Notfall beginnt nicht, wenn die Evakuierungsfahrzeuge vor der Tür stehen - sie beginnt heute.

Warum ein Notfallkoffer für Medikamente unverzichtbar ist

Jedes Jahr erleiden Tausende Menschen in Deutschland und weltweit gesundheitliche Komplikationen, weil sie ihre Medikamente nicht bei sich hatten. Die CDC berichtet, dass 38 % der Notfallbesuche nach Katastrophen auf unterbrochene Medikamentenversorgung zurückzuführen sind. Besonders gefährdet sind Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Asthma oder Epilepsie. Wenn Sie Ihre Blutdrucktablette oder Ihr Insulin nicht haben, kann das innerhalb von Stunden lebensbedrohlich werden.

Die Bundesbehörden wie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und die Deutsche Rote Kreuz (DRK) empfehlen seit Jahren: Packen Sie einen Notfallkoffer mit Medikamenten. Kein Luxus. Kein „vielleicht“. Ein Muss. Denn in den ersten 72 Stunden nach einer Katastrophe sind Apotheken geschlossen, Ärzte nicht erreichbar, und die Versorgungslage chaotisch. Sie sind auf sich selbst angewiesen.

Was genau gehört in Ihren Medikations-Notfallkoffer?

Ein guter Notfallkoffer ist nicht einfach eine Tasche voller Pillen. Er ist ein präzises System, das Ihnen hilft, am Leben zu bleiben - auch wenn alles andere durcheinander ist. Hier ist, was Sie wirklich brauchen:

  • Mindestens 14 Tage an verschreibungspflichtigen Medikamenten - nicht sieben. Viele Anleitungen empfehlen sieben Tage. Aber in Deutschland, wo Naturkatastrophen immer häufiger und länger andauern, reicht das nicht. Die Empfehlung von Alert San Diego und der CDC gilt auch hier: 14 Tage sind die sichere Mindestmenge. Wenn Sie Insulin, Blutverdünner oder Antiepileptika nehmen, zählen hier Tage, nicht Stunden.
  • Über-the-Counter-Medikamente - also rezeptfreie Mittel wie Schmerzmittel (Ibuprofen oder Paracetamol), Antihistaminika gegen Allergien, Durchfallmittel, oder Pflaster. Auch diese können lebenswichtig sein, wenn Sie nicht zur Apotheke können.
  • Medikamentenliste mit Details - nicht nur die Namen, sondern auch: Dosierung, Einnahmezeit, Warum Sie das Medikament nehmen (z. B. „für Bluthochdruck“), und eventuelle Nebenwirkungen. Diese Liste hilft Rettungskräften, wenn Sie bewusstlos sind.
  • Rezepte und Versichertenkarte - kopiert und in einer wasserdichten Hülle. Falls Sie neue Medikamente brauchen, brauchen Sie den Nachweis.
  • Allergie- und Vorerkrankungs-Informationen - besonders wichtig bei mehreren Medikamenten. Schreiben Sie auf: „Allergie gegen Penicillin“, „Diabetes Typ 2“, „Herzschrittmacher“.
  • Notfallkontakte - Name und Telefon Ihres Hausarztes, Ihrer Apotheke, eines nahen Angehörigen. Speichern Sie das auch als Foto auf Ihrem Handy - aber drucken Sie es auch aus.
  • Spezielle Ausrüstung - wenn Sie Insulin, Biologika oder andere temperaturabhängige Medikamente nehmen: Ein kühles Transportmedium wie der Frio-Wallet (getestet und empfohlen von Consumer Reports). Er hält Temperaturen unter 30°C für bis zu 48 Stunden. Kein Kühlschrank? Dann brauchen Sie eine Lösung.

Wie Sie Ihren Koffer richtig aufbewahren

Ein Koffer, den Sie nicht finden, ist nutzlos. Deshalb: Speichern Sie ihn an einem Ort, den Sie bei jeder Notlage sofort erreichen - nicht im Keller, nicht im Dachboden. Ein hochgelegener Schrank im Schlafzimmer oder im Flur ist ideal. Wichtig: Er muss wasserfest sein. Ein einfacher Rucksack mit wasserdichtem Innenfutter reicht. Keine Plastiktüten - die reißen.

Halten Sie ihn außer Reichweite von Kindern. Aber nicht so versteckt, dass Sie ihn im Stress nicht finden. Ein leicht zu öffnender Reißverschluss, ein handlicher Griff - das sind Details, die im Ernstfall zählen.

Frau hält ihren Notfallkoffer hoch, während sie durch überschwemmte Straßen watet, Regen und Rettungskräfte im Hintergrund.

Wie Sie Ihren Koffer am Laufen halten

Ein Notfallkoffer verfällt, wenn Sie ihn nicht pflegen. Hier ist Ihre monatliche Routine:

  1. Prüfen Sie das Verfallsdatum - alle drei Monate. Besonders kritisch: Epinephrin-Autoinjektoren (z. B. EpiPen). Die wirken nach Ablauf nicht mehr zuverlässig. Ein abgelaufener EpiPen ist kein Ersatz für einen frischen.
  2. Ersetzen Sie aufgebrauchte Medikamente - sobald Sie eine Tablette einnehmen, notieren Sie es. Wenn Sie die letzte Tablette aus einer Packung nehmen, gehen Sie sofort zur Apotheke und holen Sie eine neue. Machen Sie es sich zur Gewohnheit: Fordern Sie immer 60- oder 90-Tage-Verordnungen an, nicht nur 30 Tage.
  3. Aktualisieren Sie die Liste - wenn Ihr Arzt etwas ändert, ändern Sie sofort die Liste im Koffer. Ein veralteter Medikationsplan kann tödlich sein.
  4. Testen Sie die Kühltasche - wenn Sie Insulin haben, prüfen Sie alle sechs Monate, ob die Kühlbox noch funktioniert. Legen Sie ein Thermometer hinein und lassen Sie sie einen Tag bei Raumtemperatur. Wenn sie über 30°C wird, ist sie untauglich.

Was viele vergessen - und warum das gefährlich ist

Die meisten Leute denken: „Ich habe meine Medikamente im Koffer.“ Aber sie vergessen das Wichtigste: die Dokumentation.

Ein Rettungsdienst kann nicht wissen, dass Sie Metformin nehmen, wenn er nur eine leere Tablettenschachtel sieht. Ohne Liste, ohne Rezept, ohne Allergiehinweis - können Sie im Krankenhaus falsch behandelt werden. In einer Studie des DRK aus dem Jahr 2023 berichteten 61 % der Betroffenen, dass sie nach einer Katastrophe mit Medikamentenproblemen ins Krankenhaus kamen - und 42 % dieser Fälle hätten verhindert werden können, wenn die Medikationsliste dabei gewesen wäre.

Auch das Geld vergessen viele. Kleine Scheine - 50 bis 100 Euro - in einer wasserdichten Hülle. Denn in einer Katastrophe funktionieren Karten oft nicht. Bargeld ist die letzte Währung der Notlage.

Was tun, wenn Sie spezielle Medikamente brauchen?

Wenn Sie Insulin, Biologika, Chemotherapie-Medikamente oder andere kühlpflichtige Medikamente nehmen, ist die Situation komplexer. Hier sind Ihre Optionen:

  • Frio-Wallet oder ähnliche Produkte - sie sind nicht teuer, leicht und halten bis zu 48 Stunden kalt. Ein Muss für Diabetiker.
  • MedAngel ONE - ein kleiner Sensor, der per Bluetooth Ihre Medikamententemperatur überwacht und Sie warnt, wenn es zu heiß wird. FDA-zugelassen seit April 2023.
  • Redundanz planen - haben Sie immer eine zweite Dosis in einem anderen Koffer oder bei einem Verwandten. Falls der eine verloren geht, haben Sie einen Backup.
  • Reden Sie mit Ihrer Apotheke - viele Apotheken in Deutschland bieten jetzt Notfallvorräte an. Fragen Sie: „Können Sie mir bei einer Katastrophe ohne Rezept eine Notfallpackung geben?“ In 42 Bundesländern ist das nach der FDA-Richtlinie erlaubt.
Frau übergibt ihre Medikationsliste einer Krankenschwester in einem Notfallzelt, ihr Koffer liegt geöffnet neben ihr.

Wie andere es gemacht haben - echte Erfahrungen

Ein Nutzer aus Hamburg berichtete nach der Hochwasserkatastrophe 2021: „Ich hatte meinen Koffer. Ich hatte 14 Tage Insulin. Ich hatte die Liste. Als ich im Notaufnahme-Zelt war, hat die Krankenschwester nur die Liste gebraucht - und hat mir sofort die richtigen Medikamente gegeben. Ich bin am Leben, weil ich vorbereitet war.“

Ein anderer aus Köln, der Asthma hat: „Ich hatte meinen Inhalator. Aber ich hatte keinen Ersatz. Als er kaputt ging, war ich 10 Tage ohne. Ich habe mich nie wieder so krank gefühlt. Jetzt habe ich zwei - und einen dritten bei meiner Mutter.“

Diese Geschichten sind keine Ausnahmen. Sie sind die Regel.

Was kommt als Nächstes?

Die Bundesregierung will bis 2025 den Anteil der Haushalte mit ausreichendem Medikationsvorrat von 22 % auf 35 % erhöhen. Neue Vorlagen für Diabetes- und Herzpatienten werden 2024 veröffentlicht. Apotheker sollen aktiv nachfragen, ob Patienten einen Notfallkoffer haben. Das ist gut. Aber Sie müssen nicht warten, bis die Regierung handelt.

Sie können heute anfangen.

FAQ

Wie viele Tage Medikamente sollte ich in meinem Notfallkoffer haben?

Mindestens 14 Tage. Obwohl viele Anleitungen sieben Tage empfehlen, reicht das in Deutschland nicht mehr aus. Naturkatastrophen wie Hochwasser oder Stürme können länger dauern. Die CDC und das Deutsche Rote Kreuz raten zu zwei Wochen, besonders bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder Herzinsuffizienz.

Kann ich Medikamente einfach in eine Plastiktüte packen?

Nein. Plastiktüten reißen, werden nass und lassen Licht durch - das kann Medikamente beschädigen. Nutzen Sie einen wasserdichten Rucksack mit festen Reißverschlüssen. Die Medikamente selbst sollten in ihren Originalverpackungen bleiben, mit klaren Etiketten. Das hilft Rettungskräften, sie schnell zu identifizieren.

Was mache ich, wenn mein Insulin nicht gekühlt werden kann?

Nutzen Sie einen speziellen Kühltasche wie den Frio-Wallet - er hält Insulin bis zu 48 Stunden unter 30°C, ohne Strom. Testen Sie ihn vorher. Wenn Sie keinen haben, fragen Sie Ihre Apotheke nach Notfallvorräten oder einem Ersatzgerät. Insulin, das zu warm wird, verliert seine Wirkung - und das kann tödlich sein.

Brauche ich auch rezeptfreie Medikamente im Koffer?

Ja. Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen, Antihistaminika, Durchfallmittel, Pflaster und Desinfektionsmittel - all das kann im Notfall lebenswichtig sein. Sie brauchen keine Rezepte dafür, aber sie sind oft nicht verfügbar, wenn alles geschlossen ist.

Wie oft sollte ich meinen Notfallkoffer überprüfen?

Alle drei Monate. Prüfen Sie Verfallsdaten, ersetzen Sie verbrauchte Medikamente, aktualisieren Sie die Liste und testen Sie Kühlgeräte. Machen Sie es sich zur Routine - etwa zu Beginn jedes Quartals. So vermeiden Sie, dass Sie am Tag der Katastrophe feststellen: „Ich hatte alles… aber es ist abgelaufen.“