Die Schilddrüse sitzt wie ein Schmetterling am Hals und steuert, wie schnell dein Körper Energie verbraucht. Wenn sie nicht richtig funktioniert, merkst du das schnell: Du fühlst dich entweder wie in Zeitlupe oder als ob du in einem Rennen bist, das du nicht gewinnen kannst. Hypothyreose und Hyperthyreose sind die beiden häufigsten Schilddrüsenstörungen - und sie sehen fast genau entgegengesetzt aus. Trotzdem werden sie oft verwechselt, weil die Symptome anfangs vage sind. Ein müder Körper? Vielleicht ist es nur Stress. Gewichtszunahme? Vielleicht isst du zu viel. Aber wenn du dich seit Monaten so fühlst, ohne dass sich etwas ändert, könnte es die Schilddrüse sein.
Was passiert bei Hypothyreose?
Bei Hypothyreose produziert deine Schilddrüse zu wenig Hormone - vor allem T4 und T3. Das bedeutet: Dein Körper bremst ab. Alles wird langsamer. Dein Herz schlägt weniger oft, oft unter 60 Schlägen pro Minute. Du fühlst dich ständig kalt, selbst wenn andere schwitzen. Die meisten Betroffenen (87 %) berichten von Kälteempfindlichkeit. Du nimmst zu, obwohl du nicht mehr isst - durchschnittlich 5 bis 15 Kilo. Deine Haut wird trocken, dein Haar bricht leicht aus. 78 % der Patienten haben diese Symptome. Du bist müde, egal wie viel du schläfst. 70 % fühlen sich erschöpft, selbst nach einer vollen Nacht. Du hast Verstopfung, Depressionen oder ein mulmiges Gefühl im Kopf - man nennt das „Brain Fog“. Du kannst dich nicht konzentrieren, vergisst Namen, fühlst dich wie in Nebel.Die häufigste Ursache ist Hashimoto: Dein Immunsystem greift fälschlicherweise deine eigene Schilddrüse an. Das passiert bei 90 % aller Hypothyreose-Fälle. Auch Operationen, Strahlentherapie oder bestimmte Medikamente können die Schilddrüse beschädigen. Frauen sind fünf- bis achtmal häufiger betroffen als Männer - besonders nach 50. Fast 10 % aller Frauen in diesem Alter haben eine unterschätzte Hypothyreose.
Was passiert bei Hyperthyreose?
Ganz anders bei Hyperthyreose: Hier produziert die Schilddrüse zu viel Hormon. Dein Körper läuft auf Hochtouren. Dein Herz schlägt über 100 Mal pro Minute - manchmal bis zu 140. Du spürst, wie es in deiner Brust hämmert, als ob du gerade einen Sprint gemacht hast, obwohl du nur auf dem Sofa sitzt. Du verlierst Gewicht, obwohl du mehr isst. 89 % der Betroffenen fühlen sich unerträglich heiß. Du schwitzt, obwohl es kalt ist. Deine Hände zittern, du wirst nervös, ängstlich, manchmal panisch. 76 % leiden unter Angstzuständen. Du hast Durchfall, musst häufig zur Toilette. Deine Menstruation wird leichter oder fällt ganz aus. Manche bemerken sogar, dass ihre Augen hervortreten - das ist typisch für Graves-Krankheit, die bei 70-80 % aller Hyperthyreose-Fälle die Ursache ist.Andere Ursachen sind knotige Vergrößerungen der Schilddrüse oder Entzündungen, die Hormone ausleeren. Ältere Menschen zeigen oft „apathische Thyreotoxikose“: Sie verlieren Gewicht, fühlen sich müde und depressiv - aber nicht nervös. Ihr Herz schlägt sogar langsamer. Deshalb wird Hyperthyreose bei Senioren oft als Demenz verwechselt - in 40 % der Fälle.
Wie wird diagnostiziert?
Kein Symptom allein reicht. Du brauchst einen Bluttest. Der erste Schritt ist immer der TSH-Wert - das Hormon, das die Hirnanhangdrüse schickt, um die Schilddrüse anzutreiben. Bei Hypothyreose ist TSH hoch (über 4,5 mIU/L), weil das Gehirn versucht, die Schilddrüse zu zwingen, mehr Hormone zu machen. Aber die Schilddrüse antwortet nicht. Der freie T4-Wert ist dann niedrig.Bei Hyperthyreose ist es genau umgekehrt: TSH ist niedrig (unter 0,4 mIU/L), weil die Schilddrüse schon so viel Hormon produziert, dass das Gehirn sagt: „Halt!“ Der freie T4- und T3-Wert sind dann zu hoch.
Die American Thyroid Association sagt klar: TSH ist der beste Anfangstest - mit 98 % Treffsicherheit. Ein Arzt, der nur auf Symptome schaut, verpasst viele Fälle. 60 % der Menschen mit Schilddrüsenproblemen werden jahrelang falsch diagnostiziert - als Depression, Burnout oder einfach „alt geworden“.
Wie wird Hypothyreose behandelt?
Die Behandlung ist einfach - aber lebenslang. Du nimmst täglich eine Tablette Levothyroxin, ein künstliches T4-Hormon. Die Dosis liegt meist bei 1,6 Mikrogramm pro Kilo Körpergewicht. Ein 70-Kilo-Mann bekommt also etwa 112 Mikrogramm pro Tag. Es dauert 6 bis 8 Wochen, bis du spürst, wie sich alles verändert. Dann wird der TSH-Wert nochmal gemessen. Falls er noch nicht im Zielbereich ist, wird die Dosis angepasst - meist alle 6-8 Wochen.Du musst die Tablette auf nüchternen Magen nehmen - mindestens 30 bis 60 Minuten vor dem Frühstück. Kaffee, Milch, Calcium, Eisen oder Soja blockieren die Aufnahme. 45 % der Patienten vergessen das - und fragen sich, warum sie trotz Medikamenten nicht besser werden.
95 % der Patienten fühlen sich nach einigen Monaten normal. Aber nicht alle. Einige haben trotz normaler Werte immer noch Müdigkeit oder Gedächtnisprobleme. Warum? Weil ihr Körper T4 nicht gut in T3 umwandelt - das aktive Hormon. Das liegt an genetischen Varianten. 15 % der Betroffenen haben das. Für sie könnte eine Kombination aus T4 und T3 helfen - aber das ist noch nicht Standard. Einige Ärzte verschreiben es trotzdem, wenn die Symptome bleiben.
Wie wird Hyperthyreose behandelt?
Hier gibt es drei Wege - und keiner ist einfach. Die erste Wahl sind Medikamente wie Methimazol oder Propylthiouracil. Sie stoppen die Hormonproduktion. Du nimmst sie täglich, oft 10-20 mg Methimazol. Aber sie haben Nebenwirkungen: Manchmal senken sie die weißen Blutkörperchen - das kann lebensgefährlich sein. In 1 von 500 Fällen tritt eine schwere Blutbildveränderung auf. In 1 von 2.000 Fällen schädigen sie die Leber. Deshalb brauchst du monatliche Blutkontrollen.Die zweite Option: Radiojodtherapie. Du schluckst eine Kapsel mit radioaktivem Jod (I-131). Die Strahlung zerstört die überaktive Schilddrüse. Das ist effektiv - aber fast immer endet es mit Hypothyreose. 80 % der Patienten entwickeln innerhalb eines Jahres eine Unterfunktion. Dann brauchst du trotzdem Levothyroxin. Die Behandlung ist also oft nur ein Wechsel von einer Krankheit in eine andere.
Die dritte Option: Operation. Die Schilddrüse wird entfernt. Das ist besonders sinnvoll, wenn sie riesig ist oder wenn du schwanger bist. Propylthiouracil ist dann die einzige sichere Medikamentenwahl - aber selbst das hat ein Risiko: 1 von 5.000 Frauen entwickelt eine schwere Leberentzündung. Deshalb wird es nur in der ersten Schwangerschaftshälfte eingesetzt.
Hyperthyreose ist komplexer als Hypothyreose. Es gibt kein „einfaches“ Heilmittel. Du musst oft zwischen Risiken wählen - und du wirst wahrscheinlich später trotzdem eine Schilddrüsenunterfunktion bekommen.
Was passiert, wenn du es nicht behandelst?
Bei Hypothyreose kann es zu einer Myxödem-Krise kommen - ein medizinischer Notfall. Dein Körper schaltet fast alles ab: Temperatur sinkt, Herzfrequenz wird extrem langsam, du verlierst das Bewusstsein. Die Sterblichkeitsrate liegt bei 20-30 %. Das passiert meist bei älteren Menschen, die ihre Medikamente vergessen haben.Bei Hyperthyreose droht der Schilddrüsensturm - eine übermäßige Hormonflut. Dein Herz rast, du bekommst Fieber, erbrichst, verlierst die Orientierung. Die Sterblichkeit liegt bei 10-20 %. Das ist selten - aber tödlich, wenn du nicht sofort ins Krankenhaus kommst.
Langfristig erhöhen beide Zustände das Risiko für Herzrhythmusstörungen, Osteoporose und Depressionen. Wer seine Schilddrüse nicht behandelt, belastet sein Herz, seine Knochen und seinen Geist.
Wie viel kostet das?
Ein TSH-Test kostet zwischen 25 und 50 Euro. Levothyroxin ist günstig - eine Packung mit 100 Tabletten kostet etwa 5 Euro. Aber wenn du Kombinationspräparate brauchst oder spezielle Labortests, kann es teurer werden.Hyperthyreose ist teurer. Medikamente, monatliche Bluttests, Radiojodtherapie, Operationen - alles zusammen kann bis zu 6.000 Euro pro Jahr kosten. Und das, ohne die verlorene Arbeitszeit mitzurechnen. Unbehandelte Hypothyreose kostet pro Person jährlich 1.200 bis 2.500 Euro an Produktivitätsverlusten - weil du dich nicht konzentrieren kannst, oft krank bist, dich nicht motivieren kannst.
Was kommt als Nächstes?
Die Forschung geht weiter. Ein neues Medikament namens Resmetirom zeigt in Studien, dass es bei Menschen mit Schilddrüsenhormon-Resistenz helfen könnte - also bei denen, die trotz normaler Werte noch krank fühlen. Auch genetische Tests, die zeigen, ob dein Körper T4 gut in T3 umwandelt, werden immer wichtiger. In Zukunft könnte die Behandlung individueller werden: nicht mehr „ein Medikament für alle“, sondern „das richtige Medikament für dich“.Die American Thyroid Association hat jetzt auch empfohlen, bei älteren Menschen früher zur Radiojodtherapie zu greifen - nicht erst, wenn alles schlimm ist. Das könnte viele Patienten vor dem Schilddrüsensturm bewahren.
Was kannst du tun?
Wenn du dich seit Wochen müde, kalt, schwer oder nervös fühlst - geh zum Arzt. Sag nicht „es ist nur Stress“. Frag nach einem TSH-Test. Lass dich nicht abwimmeln. Schilddrüsenprobleme sind weit verbreitet - und sie sind behandelbar. Du musst nicht jahrelang leiden, nur weil niemand auf die richtige Frage gestoßen ist.Wenn du schon eine Diagnose hast: Nimm deine Medikamente regelmäßig. Lass dich nicht von „normalen“ Blutwerten trügen, wenn du dich schlecht fühlst. Suche einen Endokrinologen, wenn du nicht weiterkommst. Und sprich mit anderen Betroffenen - in Foren wie Reddit oder ThyroidChange.org. Du bist nicht allein. Tausende fühlen genau das Gleiche.
Kann ich Hypothyreose oder Hyperthyreose selbst testen?
Nein. Es gibt keine zuverlässige Selbsttest-Methode. Du kannst spüren, ob du kälter, müder oder nervöser bist - aber das sind keine sicheren Anzeichen. Nur ein Bluttest mit TSH und freiem T4 kann eine Diagnose bestätigen. Selbst wenn du Symptome hast, kann der TSH-Wert noch normal sein - besonders bei subklinischer Hypothyreose. Deshalb: Wenn du dich unwohl fühlst, geh zum Arzt und bitte um den Test.
Kann ich mit Hypothyreose abnehmen?
Ja - aber erst, wenn deine Hormone stabil sind. Solange du zu wenig T4 hast, ist dein Stoffwechsel verlangsamt. Du kannst noch so viel Sport machen oder dich streng ernähren - das Gewicht bleibt. Sobald die Levothyroxin-Dosis richtig eingestellt ist, normalisiert sich dein Stoffwechsel. Dann kannst du abnehmen wie jeder andere auch. Viele Menschen verlieren 3-8 Kilo, wenn sie die richtige Dosis haben. Aber du musst nicht „kämpfen“ - du musst nur die Hormone ausgleichen.
Warum fühle ich mich trotz normaler Werte immer noch schlecht?
Das ist häufiger, als viele Ärzte zugeben. 15 % der Menschen haben genetische Varianten, die die Umwandlung von T4 in T3 behindern. T3 ist das aktive Hormon, das die Zellen wirklich antreibt. Wenn dein Körper nicht genug davon produziert, fühlst du dich müde, depressiv oder „nebelig“ - obwohl dein TSH normal ist. In solchen Fällen kann eine Kombination aus T4 und T3 helfen. Sprich mit deinem Arzt über eine Therapie mit Liothyronin oder Kombinationspräparaten. Einige Ärzte lehnen das ab - aber es gibt Studien, die zeigen, dass es für diese Gruppe wirkt.
Ist Radiojodtherapie gefährlich?
Die Strahlendosis ist so niedrig, dass sie nur die Schilddrüse trifft. Du bist nicht radioaktiv für andere - aber du musst nach der Behandlung einige Tage Abstand halten, besonders zu Kindern und Schwangeren. Die größte Gefahr ist nicht die Strahlung, sondern das Ergebnis: In 80 % der Fälle entwickelst du danach eine Hypothyreose und musst lebenslang Medikamente nehmen. Das ist kein Nebeneffekt - das ist das Ziel. Es ist eine bewusste Entscheidung: Du tauschst eine Überfunktion gegen eine Unterfunktion - und die ist einfacher zu behandeln.
Kann ich mit Hyperthyreose schwanger werden?
Ja - aber nur, wenn die Krankheit gut kontrolliert ist. Unbehandelte Hyperthyreose erhöht das Risiko für Frühgeburten, niedriges Geburtsgewicht oder Fehlgeburten. Die beste Medikation in der Schwangerschaft ist Propylthiouracil - besonders im ersten Trimenon. Danach wechselt man oft zu Methimazol. Radiojodtherapie ist während der Schwangerschaft streng verboten - sie schädigt die Schilddrüse des ungeborenen Kindes. Wenn du schwanger werden willst, sprich mit deinem Endokrinologen. Eine stabile Hormonlage macht eine sichere Schwangerschaft möglich.
Wann sollte ich einen Spezialisten aufsuchen?
Wenn du nach 3-6 Monaten mit der Standardbehandlung keine Besserung spürst, wenn du schwanger bist, wenn du älter als 65 bist und unklare Symptome hast, oder wenn du Nebenwirkungen von Medikamenten bekommst. Auch wenn du trotz normaler Blutwerte immer noch müde, depressiv oder zitterst, solltest du zu einem Endokrinologen gehen. Allgemeinärzte behandeln oft gut - aber bei komplexen Fällen brauchst du jemanden, der sich täglich mit Schilddrüsenproblemen beschäftigt.